Ungewissheit

Die zwei kleinen schwarzen Knäuel hoppeln neben uns her. Wir gehen zum ersten Mal, seitdem wir zusammenwohnen, gemeinsam spazieren. Meine Mitbewohnerinnen und ich, die ich vor sieben Jahren dank der Coaching-Plattform HumanTrust kennenlernte. Happy und Rosy, ihre beiden Hündchen, sind eine Wohltat für die Seele. Ihr Anblick holt mich aus den Gedanken in die Gegenwart.

Auf dem Rückweg blicken wir von den Hügeln auf unser Dorf und die dahinterliegenden hohen Berge. Dass ich seit Mai hier wohne, kam so unverhofft und ungeplant. Fügungen bestimmen seit siebzehn Jahren mein Leben. Seitdem ich dem Bauchgefühl folgte, nach Frankreich zu ziehen, ohne zu wissen, was mich dort erwarten würde. Gott sei Dank wusste ich es nicht, denn dann hätte ich diesen Schritt nie gewagt.

Viele Jahre Einsamkeit, wenig Geld, kalte Wohnungen, Rastlosigkeit, das Gefühl des Ausgeschlossenseins, bis Fremde irgendwann zu Freunden werden. Ich fühlte immer, dass alles, auch die traurigen und aussichtslosen Momente, genau das waren, was ich damals brauchte.

All diese Erfahrungen helfen mir heute, zu vertrauen. Angst vor dem Ungewissen erlebe ich nur, wenn ich meine Lebenssituation als sicheren Hafen empfinde, der von anderen Menschen oder äußeren Faktoren abhängt. Als ich mit Juan zusammenzog, war ich so berauscht und glücklich, endlich Sicherheit zu fühlen. Sicherheit in mir, dass ich mit diesem Mann zusammenleben möchte, und Sicherheit von außen, weil er das auch wollte. Das nahm ich dann auch für die Zukunft als gegeben an.

Und wieder einmal lehrte das Leben mich, dass, wenn ich mir einer Sache zu sicher bin, die Dinge ganz anders kommen können und Sicherheit nur in mir selbst keine Illusion ist. Juan ging. Ich hatte das Gefühl, ins Nichts zu stürzen, und schon kam die Lösung aus ebendiesem Nichts. Es ist Zufällen und dem Timing zu verdanken, dass in der WG meiner Freundinnen gerade ein Platz frei wurde, als ich sie nach langer Zeit mal wieder besuchte und ihnen erzählte, dass ich nicht wusste, wo ich hin sollte und eine neue Bleibe für meine Katzen und mich brauchte, die ich auch bezahlen kann. Bis dahin sahen wir uns nur alle paar Monate.

Doch das ist meine Erfahrung. Und ich merke, ich liebe eine gewisse Ungewissheit, weil sie mich die Dankbarkeit fühlen lässt für meine Wohnung, meine Freunde, meine Arbeit, meine Reisen, meine Begegnungen, meine Gesundheit. Nichts ist selbstverständlich. Das vergessen Menschen schnell, wenn sie in einer Ehe leben, einen festen Arbeitsvertrag haben, seit Jahren immer gleich viel Geld verdienen und ihre Freunde schon ein Leben lang kennen.

Tief in uns wissen wir meines Erachtens alle, wie verletzlich wir als Menschen sind – körperlich und psychisch –, während wir die Stärke, die diese Verletzlichkeit in Wirklichkeit ist, nicht erkennen. Diffuse Ängste vor dem Ungewissen scheinen ein ewiger Begleiter für die meisten zu sein.

Da hilft nur eines: Vertrauen in das Leben, religiöse Menschen nennen es vielleicht Gottvertrauen, was am Ende auch das Vertrauen in uns selbst meint. Ich kann es nicht erklären.

Ich wollte heute unbedingt wieder schreiben, weil die Unzufriedenheit an mir nagt. Die Unzufriedenheit mit mir selbst, so selten die Texte zu schreiben, die mir guttun. Die mir das Gefühl geben, meinen Traum vom Schreiben auch wirklich zu leben. Als wir vom Spaziergang zurückkamen, bat ich Joana mir ein Thema zu geben, über das ich nun spontan schreibe und sie sagte: Die Angst vor dem Ungewissen.

Joana und ich sind komplett unterschiedlich. Unsere Leben sind unterschiedlich. Und ich muss mir nun eingestehen, dass mein Umgang mit dieser Angst ihr vielleicht überhaupt nichts bringt. Ich lerne immer mehr, dass ich anderen nicht helfen kann. Ich wünschte, ich könnte dank meiner Erfahrungen anderen dieses wundervolle Vertrauen mitgeben. Immer wieder verzweifle ich daran, will gute Tipps geben, und merke dann: Es ist vergebens und meist auch wenig empathisch.

Also bleibt mir nur eines: Den Geschichten der anderen zuhören. Und meine Geschichte erzählen. Ohne Tipps und Ratschläge. Manchmal springt dann ein Funke über und die Erfahrungen der anderen sind ein Wegweiser, wo es für uns lang geht. Das erkennen wir daran, wenn unser Körper reagiert – mit Ablehnung oder mit einem wohligen Kribbeln der Begeisterung.

Ich habe mehr Fragen als Antworten. Und Zitate habe ich auch. Heute eines von Rainer Maria Rilke:

„Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein.“