Seit gestern ist Frida bei uns. Die kleine Katze, die wir für Ghost adoptierten. Ich sitze auf meiner Terrasse im Schatten, den Kaffee neben dem Laptop und der Magen gut gefüllt nach einem Frühstück mit knusprig gebackenem Vollkornbaguette und Zwiebelquark mit viel Olivenöl und Meeressalz.
Die Katzen sitzen vor mir unter der Liege, wenn mich nicht alles täuscht. Sie haben sich ein wenig angeschrien – anders kann man das kreischende Geräusch, vor allem von Frida, nicht beschreiben – und jetzt ist gerade Ruhe. Ich würde ja am liebsten sofort nachsehen, aber die Tiere sollen sich nicht beobachtet fühlen.
Ich war nicht sicher, ob ich mich heute mal wieder dazu aufraffen würde diese Morgenseiten zu schreiben, aber nun sitze ich hier. Ich hatte einen schönen Abend. Jaime und ich sprachen im Siete Machos extrem viel, während er Juan und dessen nervige, sturzbetrunkene Gesellschaft links liegen ließ.
Er sagte vieles, was mich aufregte und ich konnte direkt meine eigenen Ratschläge anwenden, ihn dennoch ausreden lassen, versuchen, dennoch zuzuhören. Es war eine gute Übung und es stellte sich heraus, dass wir Ähnlich denken. Er bestärkt mich sehr in meinem Ansatz, mich als Mensch an die anderen Menschen zu richten, ihnen am eigenen Beispiel zeigen zu wollen, wie sie mit sich selbst in Kontakt kommen und warum das auch für den Frieden und eine bessere Welt nötig ist.
Ich möchte sogar so weit gehen zu sagen, dass es der grundlegendste Ansatz schlechthin ist. Der realistischste von allen, der nur deshalb nicht funktioniert, weil die meisten sich bisher weigern, ihn auszuprobieren, da es für sie selbst unangenehm werden könnte, da sie damit nichts anfangen können, es für Schwachsinn halten, um ja nicht sich selbst begegnen zu müssen.
Das fühlt sich nämlich irgendwie peinlich an. Oder schamhaft. Oder lächerlich.
Die ganzen anderen Aktionen wie Demonstrationen und Hilfe für Bedürftige, Anprangern, Aufklären sind natürlich auch wichtig, doch sie setzen auf der Symptomebene an. Sie können vielleicht schneller einzelne krasse Wirkungen erzielen wie zum Beispiel den Austritt Deutschlands aus der NATO – und das wäre ein Wahnsinnsschritt, vor allem wegen der tollen Botschaft, dass es möglich ist, so wie einst der Mauerfall möglich war, auch wenn kein Mensch daran glaubte.
So ein Schritt würde mehr Menschen zum Handeln anspornen, doch all das würde nichts an unserem für andere Länder der Welt schädlichen Lebenswandel ändern, nichts an der Tatsache, dass Gier, Angst, die Illusion einer möglichen Sicherheit und Frust in der Gesellschaft vorherrschen.
Wenn die Menschen sich nicht ändern, oder besser endlich wieder zu Menschen werden, sich ein artgerechtes Menschenleben gönnen, dann kann ein umgestürztes System kein gesünderes System hervorbringen.
Gesunde Menschen erschaffen ganz natürlich ein gesünderes System, weshalb es mein oberstes Ziel ist, so viele Menschen wie möglich mit der Kraft der Selbstliebe anzustecken. Gerade für die Gesellschaft, für unsere Erde, können Menschen, die sich selbst mögen, Verantwortung übernehmen und bewusst und dankbar das Leben schätzen, so enorm viel bewegen.
Ich verstehe gar nicht, warum die meisten Leute das nicht begreifen und warum diese sich so dagegen wehren, sich selbst Liebe zu gönnen. Es ist so tief in ihnen verankert, dass es falsch ist, sich selbst zu mögen und ein gutes Leben zu gönnen.
Dieses Recht haben nur in ihren Augen nur „die Armen“, während diese in Wirklichkeit ganz andere Sorgen haben, als in sich hinein zu hören. Oder vielleicht sogar schon viel eher mit sich im Reinen sind, da sie nicht wie ein Roboter in einer von Maschinen gesteuerten Gesellschaft den ganzen Tag To-Do-Listen abarbeiten. Jeder hat seine eigenen Schwierigkeiten und Umstände, die er bewältigen muss.
Doch es gibt eine Sache, die die meisten Armen – meines Erachtens nach, aus völlig ferner Sicht durch das Lesen von Büchern, Reisen und Fernsehen – den ganzen wohlhabenden Menschen in unseren Gefilden voraus haben: Dankbarkeit.
Extreme Armut ist lebensbedrohlich und grausam. Extremer Überfluss aber auch.
Ich muss oder möchte es unbedingt schaffen, mehr und mehr Leute von diesem Ansatz zu überzeugen. Sie wollen Frieden und eine bessere Welt, aber machen genau das mit ihren menschenfeindlichen und gefühllosen, intellektuellen Ansätzen unmöglich. Immer sind es die anderen, die Schuld sind.
Machen wir uns nichts vor. Auch bei mir klingt es gerade so, als schiebe ich die Verantwortung nur den anderen zu, doch ich weiß, dass ich mich immer wieder hinterfrage, dass ich versuche, auch Unangenehmes anzuhören, dass es mir darum geht, meinen Lebenssinn auszuleben, dass ich weiß, dass dies nur mit anderen zusammen geht und vor allem, wenn wir sämtliche Ansätze auf sämtlichen Ebenen unterstützen. Uns gegenseitig stärken, anstatt Konkurrenz zu sein, wo wir doch das gleiche Ziel haben.
Nein, ich muss in diesen Morgenseiten aufrichtig sein. Aufrichtig mit mir selbst.
Diese Leute, die es nicht lassen können, lebensbejahende Vorschläge, Botschaften der Hoffnung mit miesmachenden Kommentaren und Totschlagargumenten zu verderben, kommen mir arrogant vor und machen mich wütend. Jetzt sage auch ich, dass ich vielleicht nicht mehr, aber dafür sehr vielseitige Informationen aufgenommen und an den verschiedensten Orten – im Luxus-Strandclub und in der „Assikneipe“, in Gesprächen mit einer Neunzigjährigen und Unterhaltungen mit Jugendlichen, in Büchern und Frauenzeitschriften, im Alltag in drei verschiedenen Ländern Europas – beobachtet und zusammengetragen habe, als diese Fachidioten, die immer nur in ihrem einzigen Expertenthema sind und sich dann über mich stellen als Weltfremde, die nicht genug Hintergrundwissen hat.
Ich brauche nicht nur Wissen, sondern auch Gefühle, und da liegt der Unterschied. Ich fühle, was schiefläuft. Da helfen mir keine Argumente.
Ich möchte verstehen. Ich verbinde verschiedene Ebenen, angefangen vom Urvertrauen und dem Bewusstsein für das wahre Leben, das sich in allem Lebendigen abspielt, über den Geist und das Wissen bis hin zu den Alltagswahrnehmungen und Sorgen der Menschen in der von uns erschaffenen Welt, die aber nicht das Leben ist. Das verwechseln nur alle, die nicht wie ich „hinter dem Mond leben“, wie ein Facebook-Leser mir schrieb.
Ich meine, es ist toll, dass es da Traumaforscher, und Friedensforscher und was weiß ich nicht alles gibt, doch das Wichtigste an der Arbeit von zum Beispiel Daniele Ganser ist, dass er selbst zeigt, wie man friedlich lebt, indem er sich für die anderen und sein Herzensprojekt – die Aufklärung von Kriegslügen – einsetzt, während er bewusst auf seine Gedanken achtet, anderen aufmerksam zuhört, friedlich und menschlich mit seinen Widersachern umgeht … Das ist seine Heldentat! Er lebt ein erfülltes Leben vor.
Ich bin Ken Jebsen dankbar, dass er auch Fragen an seine Gäste richtet wie: „Wie schaffen sie es trotz der schlimmen Themen, mit denen Sie den ganzen Tag arbeiten, so heiter zu sein?“ Da konnten die vier Experten aus der letzten Positionen Sendung auch etwas zu ihrer Lebenskunst sagen, denn auf die kommt es an, da kann jeder – wirklich jeder, egal ob reich, arm oder was weiß ich – ansetzen! Und gleichzeitig kann jeder auch andere Aktionen „im Außen“ machen, die er für sinnvoll hält. Das Eine schließt das Andere doch nicht aus.
Aber warum sehen die Menschen das nicht und streiten dann lieber oder glauben in mir eine naive kleine Trulla vor sich zu haben, die von nichts eine Ahnung hat. Ich brauche mehr Selbstbewusstsein und vor allem Gelassenheit im Umgang mit diesen Menschen. Ich kann sie ja nicht zwingen. Ich kann sie nur verführen, wie Anna es während unserer Therapie immer schmunzelnd sagte.
Also, liebes Unterbewusstsein, ich übergebe an dich und deine Weisheit. Wie kann ich meine Mitmenschen dazu verführen, sich ein bewusstes und erfüllendes Leben zu gönnen, sich selbst kennenzulernen und zu mögen? Damit sie dann selbst feststellen, wie sie von innen heraus eine ganz neue, für die Erde und Mitmenschen schonendere Lebensweise leben.
Mensch, ich mache mir schon früh am Morgen – und überhaupt die meiste Zeit – Gedanken über diese Themen. Über meine Mitmenschen, unsere Welt, den Zusammenhang, ihren Einfluss auf mich und umgekehrt … Eine Gedankenlast, die mich immer wieder zu erdrücken droht …
Müssten hier in diesem Free-Writing-Zeug nicht neue Erkenntnisse über meine Gefühlswelt zum Ausdruck kommen, die ich verdränge? Bin auch ich schon wieder zu sehr auf andere fokussiert, anstatt bei mir selbst anzusetzen? Ist das schon die Antwort meines Unterbewusstseins? „Setze wieder bei dir selbst an, Elisa. Nimm dir Zeit und Mitgefühl für dich. Richte deine Fragen an dich selbst, nicht an die anderen.“ Oh ha!
Frida schreit sich die Seele aus dem Leib. So eine Katzenzusammenführung sorgt für Lebendigkeit in der Wohnung. Seit zwei Tagen nähern sie und Ghost sich an, doch sie schreit kurz vor einem Beschnuppern aus nächster Nähe so laut und grell, dass ich jedes Mal hochschrecke. Wer weiß, wie lange das noch so geht. Es ist spannend, die beiden Pelztiere zu beobachten. Sie holen mich aus dem Gedankenstrudel heraus.
(Ein weiterer Auszug aus meinen Morgenseiten aus diesem Sommer. Da rotzt man, salopp gesagt, so richtig schön, den Gedankendreck hinaus und kann wieder frei atmen. Frida und Ghost verstehen sich inzwischen, wie auf dem Foto zu diesem Beitrag zu sehen ist, prächtig.)