Ich liege auf dem Bett in meinem Arbeitszimmer. Die Luft steht. Die roten Vorhänge tauchen den Raum in ein warmes Licht.
Ich fühle mich wie Blei nach unten gezogen.
Verzweifelt. Traurig. Verletzt. Allein. Unverstanden. Mit dem scheiß Weltschmerz auf meinen Schultern, während alle anderen sich ablenken, rumjammern, amüsieren.
Was tue ich nach Außen?
Diese scheiß Freude verbreiten. Ich will, dass Menschen sich freuen mich zu sehen.
Ab und zu traue ich mich auch in der Öffentlichkeit mal traurig zu sein. Vor Jaime sogar zwei Jahre lang. Doch in mir die Angst, dass es doch eine Obergrenze gibt. Ich ihn und andere irgendwann vergraule. Den Spaniern ihren Frohmut versaue.
Warum bin ic …
Mein Smartphone piept mich aus dem Strudel. Eine Nachricht von Joana. Sie bittet um Rückruf.
Ich bin verunsichert. Mein Verstand erinnert sich, dass sie mich verstehen kann. Ich habe trotzdem Angst, ihr den Abend zu versauen oder viel eher zu spüren, dass ich sie störe.
Also schicke ich ihr eine Nachricht zurück und sage, dass ich gerade in einem Tief bin und wir vielleicht ein anderes Mal telefonieren.
Sie ruft sofort an. Ich nehme ab und kann kaum sprechen. Breche mit erstickter Stimme in Tränen aus. Das hat sie nun davon.
Antje ist bei ihr. Die beiden hören mir zu. Bringen mich zum Lächeln.
Ich gehe raus auf die Terrasse. Sehe, wie die Sonne majestätisch hinter den Bergen untergeht.
Was ist los mit mir?
Mein Journaling-Experiment scheint zu wirken. Die Zeit mit mir allein bringt verdrängte Gefühle zum Vorschein.
Ein Satz von einem meiner Stammleser hängt mir seit heute Morgen im Gedächtnis.
„Ich frage mich aber, ob du dich selbst aus deinem Leben ausschließt, denn für mich klingt es so. Was ich damit meine (zugespitzt): ‚Mein Leben ist toll – juhu! Aber ich bin es nicht‘. Kann das sein?“
Mir fällt auf WIE unsicher ich bin. Wie verletzlich. Ich habe das Gefühl – oder rede mir seit jeher ein? – dass ich mit meinem wahren, wechselhaften, extrem wechselhaften Gemüt eine Zumutung bin.
Frage mich, ob ich manisch depressiv bin. Kleinste Kleinigkeiten wie ein Parkplatz, ein guter Schokoladenkuchen oder ein verficktes Like können mich in höchste Glücksgefühle versetzen.
Eine Absage, ein Nachmittag, an dem ich zu nichts Lust habe, stürzen mich in tiefste Verzweiflung.
Elisa, glaube nicht alles, was du denkst.
Doch wo ist die Grenze zwischen Fühlen und Denken? Die Gedanken quatschen ja sofort mit rein, sobald Gefühle nur ansatzweise an die Oberfläche dringen.
Mein Leser hat Recht. Tief in mir schlummert dieses Gefühl, dass ich nicht wertvoll bin. Nicht genug, wenn ich nicht irgendeinen Mehrwert liefere, wie gute Stimmung oder irgendwelche Lebensweisheiten …
Der Verstand weiß, dass es nicht so ist.
Der Verstand weiß auch, dass eine Spinne uns nicht angreift, uns nichts tut. Und doch haben viele höllische Angst vor ihr.
Seit dem Artikel „Die 12 Ängste, die dich davon abhalten in die eigene Größe zu gehen“ von Mara Stix gestern Abend, fiel mir auf, wie viele Ängste unbemerkt in mir schlummern:
Angst arrogant zu wirken
Angst „zu sichtbar“ zu werden
Angst vor Neid und Ablehnung
Angst vor der Verantwortung
Angst vor der Langeweile, wenn das Ziel erreicht ist
Angst nicht genug zu sein
Ich möchte mich wertvoll fühlen. Da kann mir von außen wohl kaum einer helfen. Das Gefühl kann nur ich mir geben.
Ich weiß zwar noch nicht wie.
Aber ich bitte jetzt einfach mal mein Unterbewusstsein darum, mir die Antwort zu geben. Mich zu leiten.
Immerhin gehe ich mit diesem Blog schon einmal mutig mit der Angst, zu sichtbar zu sein. Online, per Text ist das viel leichter als im „echten“ Leben. Obwohl mehr Leute es sehen.
Ich möchte auch vor den anderen Ängsten nicht zurückscheuen. Es ist paradox, dir hier all diese innersten Gefühle auszubreiten, während ich von Angst schreibe. Es fühlt sich richtig an.
Mir hilft es, mich so öffentlich mitzuteilen. Hier fühle ich mich geschützt, da ich mich zwar öffne und mitteile, aber deine Reaktion nicht „ertragen“ muss. Ein erster Schritt. Eine Brücke zu einem echten Austausch von Kern zu Kern. Vielleicht kennt der ein oder andere solche Gefühle.
Vielleicht sehnt sich auch der ein oder andere danach, sie zeigen zu können, ohne fürchten zu müssen, andere zu stören, zu verunsichern, vor den Kopf zu stoßen oder zu verlieren. Vielleicht ist es unser aller tiefste Sehnsucht?
Meine Gedanken beruhigen sich. Die Sonne ist weg. Ein orangeroter Streifen beleuchtet den schwarzen Berghorizont.
Stille.
Heute richte ich meine Abschlussformel vor allem an mich selbst.
Sei es dir wert.
Hey Elisa,
erstmal wünsche ich dir, dass es dir bald wieder besser geht und du nicht länger diesen Weltschmerz empfinden musst.
Ich finde es extrem mutig von dir, dass du deine Gefühle und Gedanken so direkt und ungeschönt mit uns teilst.
Mit dem selben Mut, der selben Würde und dem Recht so sein zu dürfen wie du bist, aber auch wie du dich fühlst, solltest du dies erst recht in deinem Umfeld tun.
Leg deine Maske vor Freunden und Bekannten ab, dann bist du wieder du selbst und (d)keine gläserne Wand trennt euch mehr. Denn wenn du es schaffst, dich (wieder) in deinem persönlichen Lebensumfeld frei und authentisch zu zeigen und zu bewegen, dann denke ich, wirst du dich auch nicht mehr länger alleine und einsam fühlen. Damit gibst du außerdem den Menschen die Möglichkeit dich überhaupt verstehen zu können.
Ich weiß, dass das nicht einfach ist. Um sich selbst zeigen zu können muss man sich selbst wieder näher kommen, damit man sich selbst überhaupt wieder richtig spüren kann. Dafür braucht man Zeit mit sich selbst. Die nimmst du dir ja anscheinend schonmal.
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Mir liegt es noch auf dem Herzen auf zwei Dinge einzugehen. So wie ich das im Allgemeinen sehe, sieht es bei dir gerade so aus:
1. Du bist im Moment sehr Abhängig von anderen, vor allem von ihren Urteilen (BeWERTungen) über dich. Aus dem Grund, das weißt du ja selbst, weil es dir eben gerade schwer fällt dir selbst einen Wert zu „geben“ (bzgl. „geben“ später mehr).
2.Du weißt nicht so recht wie du mit deinen Gedanken umgehen sollst. (mit deinen Gefühlen offenbar größtenteils schon, das ist super)
Dazu möchte ich folgendes sagen und ich fange mit dem Zweiten an.
Du schreibst: „Doch wo ist die Grenze zwischen Fühlen und Denken?“
Meiner Meinung nach, sind Gefühle und Gedanken zwei Seiten der selben Medaille – der Medaille „Unterbewusstsein“.
Zu den Gefühlen:
Die Gefühle sind dabei am natürlichsten, jedoch (durch unsere Vernachlässigung) auch am schwächsten mit dem Unterbewusstsein verbunden. Unsere Gefühle sind die leise aber beständige Stimme unsers Unterbewusstseins. Gefühle sind dabei niemals falsch oder richtig, in dem Sinne, dass sie sein dürfen oder eben nicht sein dürfen (weißt du ja selbst). Man darf aber ruhig seine Gefühle auch mal hinterfragen. Denn was ist wenn die GRUNDLAGE unserer Gefühle „falsch“ ist? Sprich wenn wir belastende Gefühle aufgrund einer falschen Annahme, Bewertung und Überzeugung bekommen. Z.B die Überzeugung „Ich bin nicht viel Wert“. Bei so einer Überzeugung kann man sich nicht WIRKLICH gut fühlen. Das damit (instinktiv) negativ empfundene Gefühl ist zwar dadurch nicht falsch und darf ruhig da sein, jedoch ist die Grundlage aus dem das Gefühl wächst eine „falsche“ oder schlechte. Und da sollte man näher hinschauen und sich überlegen oder Rat holen wie man diese Grundlage ändern kann. Kleiner Tipp: Es geht nicht direkt über den Verstand. Die falsche Überzeugung „ich bin nicht viel wert“ und das damit erzeugte Gefühl, kann man nur mit dem Herzen also dem Gefühl ändern. Man muss nämlich FÜHLEN (lernen), dass man doch wertvoll ist. Dazu kann man sich aber seinem Verstand sehr wohl bedienen.
Zu den Gedanken:
Die Gedanken – vor allem über uns selbst und unser handeln – sind sehr stark vernetzte und im Unterbewusstsein tief liegende Strukturen. Sie dienen der Bewertung und der Bewältigung von allem was wir wahrnehmen. Interessant ist, dass man Gefühle mit dem Intellekt bewerten und auch verstehen kann (wenn man denn möchte und dazu fähig ist), man kann sie aber nicht mit dem Intellekt bewältigen oder gar auslöschen.
Will man ein Gefühl „loswerden“ muss man die Ursachen kennen und in die Prävention investieren. Oder man braucht – und das ist zumindest auf Dauer nicht zu empfehlen – ein stärkeres Gefühl, welches das unerwünschte Gefühl überlagert. Das machen viele Menschen indem Sie sich z.B neue Dinge kaufen oder sich zusaufen und „Party“ machen. Damit verschwindet das Gefühl aber nicht, es wird nur stumm-gekauft oder stumm-getrunken.
Wieder zurück zu den Gedanken:
Die Gedanken sind nicht nur stark verwoben sie sind auch am stärksten mit unserem Unterbewusstsein verbunden und deshalb sind sie dessen LAUTE Stimme. Das kann man sich zunutze machen, indem man z.B. seine Gedanken aufschreibt, und zwar so ungefiltert wie du es gemacht hast. Eben so wie sie kommen und so wie sie fließen.
Bei besonders hartnäckigen Gedanken oder Gefühlen meditiere ich darüber. Ich setze mich hin, lege mir Papier und Stift zurecht und schließe die Augen. Normalerweise sagt man, man soll Gedanken oder Gefühle wahrnehmen und einfach ziehen lassen, ohne sie dabei zu bewerten. Ich mache das manchmal bewusst anders: ich nehme war, mach die Augen kurz auf, schreibe, und schließe wieder die Augen. Damit lasse ich meine Gedanken und Gefühle nicht nur auf das Papier „ziehen“, sondern kann sie jetzt gleich oder auch später noch bewerten und damit „arbeiten“. Je mehr man sich selbst kennenlernt und dies übt, klappt das auch besser.
Meine Bewertung erfolgt dabei nicht in gut oder schlecht, sondern in
+ „was sagt mir das jetzt?“
+ „warum könnte ich so fühlen oder so (über mich) denken?“
+ „in welcher Situation habe ich das wahrgenommen“
+ „was ist (genau) passiert?“.
Damit kommt man einigen Dingen auf die Spur, man muss oder sollte aber auch die richtigen Schlüsse aus der „Analyse“ ziehen können. Falsche Analysen können einen noch mehr verwirren und noch weiter verunsichern. Vor allem muss man sich als Mensch mit Gefühlen begreifen und nicht als ein zu funktionierendes Ding. Das heißt, auch eine „Fehlfunktion“ ist absolut ok, ich darf sie haben, das ist mein Recht als lebendes und fühlendes Lebewesen.
Es ist mit Sicherheit nicht das richtige für jeden. Und man muss sehr offen gegenüber sich selbst sein und das gelingt mir auch nicht ständig! Aber wenn es klappt, kommen Aha-Effekte.
Gedanken haben außerdem den Vorteil, dass sie so laut sind, dass sie uns Auskunft darüber geben können, in welche Richtung man denn seine Lauscher richten sollte, um die leise Stimme des „Gefühls“ hören zu können.
Lange Rede kurzer Sinn: Nutze auch deine Gedanken und mache sie ebenso zu deinen Verbündeten wie deine Gefühle.
Jetzt zum Ersten, dem Selbstwert:
Was zunächst vielleicht widersprüchlich klingen mag: Du kannst dir selbst keinen Wert geben! Denn deinen Selbstwert hast du niemals verloren. Er ist immer da! Du „musst“ ihn nur wieder mal FÜHLEN. „Hallo, schwache Stimme Namens Selbstwertgefühl, wo bist du? Ich finde dich!“ ?
Sich selbst anzunehmen und zu zeigen wer man ist, verschafft ein ungemein starkes Selbstwertgefühl. Arbeite darauf hin es tun zu können! Das ist mein Tipp.
Wenn nötig mach von Flohbair mal ne Pause. Vielleicht tut dir ein Like-Entzug ganz gut – und du merkst: Hey, es geht auch ohne! Bestimmt freust du dich dann auch unabhängiger über neue Likes. Ich würde deine Artikel zwar vermissen aber ich wüsste das du es für dich machst und dann sicherlich mit neuer Energie zurück am Start wärst.
Du hast jedes Recht dazu, das zu tun was gut für dich ist, solange es nicht in böser Absicht gegenüber jemand anderen ist. Das kann unabsichtlich (!) für andere verletzend sein. Doch darüber kann man fast immer reden, wenn denn gegenseitige Wertschätzung und Zuneigung vorhanden ist und wenn nicht: du bist es DIR wert!
Zu mir selbst zu stehen; mein Recht und meine Lust zu spüren so zu sein wie ich als Mensch bin und mich so zu zeigen wie ich mich fühle, ist für mich eines der schönsten und befriedigendsten Gefühle die ich kenne. Ich schaffe es nicht immer, und manchmal schaffe ich es eine ganze Zeit lang auch gar nicht, aber immer dann, wenn ich es schaffe ist es großartig.
Ich hoffe es gelingt dir auch bald (wieder). Deine diesmal an dich selbst gerichtete Abschlussformel finde ich gut und das macht Mut!
Liebe Grüße
Orkan
PS: Joana scheint ein toller Mensch zu sein, so wie dein Freund! Beide sind auf ihre Art für dich da und beide wissen dich zu schätzen.
PPS: Ich habe gemerkt, dass man nicht nur seinen Mönch (Selbstwert, Selbstliebe) kultivieren sollte, sondern auch seinen Krieger/seine Amazone (Kampfwillen, Kampflust). Dazu kann ich aktuell auf Facebook „Warrior Awareness“ empfehlen. Ich stimme nicht mit allem überein was er sagt, vor allem ist er selbst für mich fast zu direkt, das kann verletzend sein, aber auf seinem Gebiet ist er für mich beeindruckend und mega authentisch. Zwar zielt er auf Männer ab aber ich finde, dass dies auch etwas für Frauen ist. Vielleicht bekommst du so auch mal neue Impulse.
PPPS: Ich habe diesen Text nur für dich und deine Leser geschrieben. Als mein Kommentar immer länger und länger wurde, dachte ich mir zum Schluss, hier steckt so viel Erfahrung und auch Liebe dahinter, dass ich es mir jetzt selbst wert bin ? meine eigene Seite zu promoten: Sie heißt auf Facebook „Starkes Selbst“. Es ist aktuell noch null Content vorhanden, nicht mal ein Profilbild. Aber wem das was ich geschrieben habe gefallen hat: In Zukunft wird es dort noch mehr von diesem deep shit geben, dann aber besser und übersichtlicher aufbereitet und entsprechend leichter zu lesen. Frei nach Voltaire: Ich hatte keine Zeit mich kurz zu fassen.
Lieber Orkan,
ich stieß heute zufällig auf deinen Kommentar, als ich den Artikel hier in meinem Newsletter verlinkte. Manchmal verpeile ich, wenn Abonnenten Kommentare schreiben, weil ich sie nicht moderieren brauche. Das war eine schöne Überraschung.
Du nimmst dir immer so viel Zeit und gibst so viel von deinen Erkenntnissen weiter. Das rührt mich sehr. Ich finde, du kannst aus so einigen deiner Kommentare später Artikel für deinen Blog machen! Mir hilfst du jedes Mal sehr weiter. Ein Like-Entzug hört sich großartig an. Ich werde aber keine offizielle Pause machen, sondern noch mehr auf mein Gefühl hören, wann ich wirklich Lust habe etwas zu posten und wann ich es aus Angst tue, dass mir die Leser wegrennen, haha.
Möchte mich jetzt auf das Buch konzentrieren. Ich spüre, dass ich Unzufrieden bin, weil ich irgendwie vor dem schweren Prozess des Schreibens „flüchte“. Nun möchte ich jeden Tag (außer, wenn ich einen guten Grund habe) am Buch schreiben. Und sei es nur ein Satz. Ich denke, das wird schon helfen, zufriedener mit mir zu sein.
Zumal das Schreiben allein am ersten Kapitel neulich schon einige Emotion und Aha-Affekte in mir auslöste.
Ich bin dir dankbar für all deine Impulse. Und sobald du deine Seite launcht, kannst du natürlich auf meine Unterstützung zählen! ;)
Sei herzlich gegrüßt!
Elisa