Über den Berg: 11 Erkenntnisse einer Alpenüberquerung, die deine Wanderlust wecken werden

Oberstdorf. Der südlichste Ort Deutschlands. Die Sonne ballert vom strahlend blauen Himmel.

Nach einer ausgiebigen Shoppingtour (Blasenpflaster, Lippenbalsam, Getränke, Notverpflegung) geht es gegen 12 Uhr viel zu spät los.

Doch wir – mein Vater und ich – sind guter Dinge. Heute stehen nur 4,5 Stunden an.

Die Hitze macht mir zu schaffen. Ich bin krebsrot.

Das kann ja heiter werden.

Als der eigentliche Anstieg beginnt, geht es nur noch über einen schmalen Pfad nach oben. Erst durch Wald, später durch steinige Gebirgswiesen. Die Landschaft ist fantastisch.

Leider kann ich sie nicht wirklich genießen, da ich mich fühle wie eine Gejagte.

Auf dem Weg sind nicht nur viele Wanderer, sondern ganze Wandergruppen unterwegs.

Sie machen mich wahnsinnig. Sie sind zu langsam, um hinter ihnen zu bleiben, und zu schnell, um – wenn man sie endlich mal überholt hat – ab und zu inne zu halten und die Aussicht auf sich wirken zu lassen.

Trinken. Bloß nicht vergessen zu trinken. Manchmal wird mit ganz schwindelig von der Anstrengung und der Sonne auf meinem Kopf (der natürlich mit einem stilvollen Cap bedeckt ist).

Irgendwann setzt mein Vater – ein (für sein Alter) sehr sportlicher Mann, der Marathons läuft – sich ab und ich gehe in meinem Tempo weiter.

„Wann kommt endlich die verfickte Hütte?!“, denke ich mir.

Wenn ich schon am ersten Tag so fertig bin, wie soll ich es jemals bis nach Meran schaffen?

Naja, erst einmal heute ankommen.

Irgendwann taucht die Kemptner Hütte endlich auf und ich vergesse die Strapazen innerhalb weniger Minuten.

Von den zwei Bier sind mein Vater und ich schnell beschwipst und schlafen selig (dank Ohropax) im 60-Betten-Schlafsaal ein.

Erkenntnis des Tages: Du lebst in der Gegenwart. Es zählt immer nur der Tag selbst. Du denkst einfach nicht weiter als bis zum selben Abend. (Das ist sehr erholsam.)

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Am nächsten Morgen wartet Nieselregen auf uns. Hm. Besser als die ballernde Sonne und eine willkommene Abwechslung für mich sonnenverwöhntes Kind von der Insel.

Die Beine meiner Wanderhose sind ruckzuck angebracht, die Regenjacke mit Kapuze übergeworfen und weiter geht es.

Erst ein wenig bergauf, rüber nach Österreich und dann ewig bergab. Wir kommen so gut voran, dass wir im ersten Restaurant mitten in der Pampa einkehren und uns viel zu früh freuen.

Das dicke Ende kommt nämlich noch.

Als wir wieder aufbrechen, regnet es wie aus Eimern.

Massen an Leuten sind unterwegs.

Wir entscheiden uns für einen Alternativweg, den kaum einer geht (und verpassen so die höchste und längste Seilhängebrücke Österreichs, wie wir später erfahren).

Dafür haben wir zwei Stunden lang die Natur für uns und sind trotz Regen blendend gelaunt.

Doch nicht mehr lange.

Endlich am Etappenziel Bach angekommen, stellen wir fest, dass unsere Unterkunft mit einer Anschrift in Bach (!) noch zwei Stunden (!) Fußmarsch – bergauf auf einer Asphaltstraße (!) – entfernt liegt.

Meine Füße schmerzen, es regnet immer stärker, ich habe die Schnauze voll. Mein Vater auch.

Er schimpft wie ein Rohrspatz. Ich stimme mit ein.

Irgendwann bekomme ich ganz irre Lachkrämpfe und kann mich nur dank meiner Wanderstöcke mühselig auf den Beinen halten.

Diese zwei Stunden wollen niemals enden.

Uns ist kalt. Wir sind komplett durchnässt und das mühelose Gehen auf dem Asphalt sorgt dafür, dass wir unsere gesamte Konzentration nicht von den Fußschmerzen ablenken können.

Irgendwann haben wir es dann doch geschafft.

In der Stube ist es warm. Auch heute sind die Strapazen schnell vergessen.

Erkenntnis des Tages: Die schönen Erinnerungen bleiben lange, die Strapazen sind schnell vergessen.

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Heute stehen uns nur zweieinhalb Stunden bis zum Etappenziel bevor, da wir ja gestern noch zwei Stunden weiter gegangen sind als geplant war.

Das trifft sich gut, denn bei der heutigen Hütte – der Memminger Hütte – ist bei unserer Reservierung etwas schief gelaufen, so dass wir nicht sicher sind, einen Schlafplatz zu ergattern.

Als wir aufbrechen, ist es noch extrem kalt. Wir sind auf 1310 Meter und müssen auf 2242 Meter aufsteigen. Na dann mal los.

In der Hütte angekommen müssen wir leider bis abends warten, um zu erfahren, ob wir ein Bett im Haus kriegen oder ins Notzelt müssen. Weiterwandern ist ausgeschlossen, da der nächste Ort sechs Stunden entfernt liegt.

Mir wird angst und bange. Es schneit, mir ist selbst in der Hütte kalt und wir sollen vielleicht draußen schlafen?

Es kommen Scharen von Leuten und die Hütte gleicht einer Bierkneipe in der Münchner Innenstadt.

Es scheint aussichtslos. Ich fühle mich gestresst und alles andere als ausgeglichen. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Nach vier Stunden Rumsitzen in der Hütte, beschließe ich trotz Kälte draußen spazieren zu gehen, einfach um von den ganzen Leuten wegzukommen.

Mein Vater kommt mit.

Eine Stunde laufen wir durch das Umfeld der Hütte, entdecken einen See und ein paar Murmeltiere. Ich kann es kaum fassen. Plötzlich durchströmt eine ausgeglichene Zuversicht meinen Körper. Ist das die Erleuchtung?

Als wir wieder in die Hütte eintreten, die nun noch voller ist und aus allen Nähten zu platzen droht, kommt der ganze Trubel nicht mehr an mich heran. Ich denke nicht mehr. Ich setze mich in eine noch freie Ecke zwischen all die Menschen und beobachte.

Von weitem lächeln mein Vater und ich uns zu. Er hat in einer anderen Ecke noch ein Plätzchen gefunden.

Als die noch freien Betten verteilt werden, stehe ich mitten in der wartenden Masse und mein Herz springt vor Aufregung fast aus der Brust. Ich bin total nervös und die Ruhe in Person auf einmal. Eine merkwürdige Mischung.

Alle Menschen, die im Alpenverein sind, bekommen vor uns ein Bett, obwohl wir als erste da waren.

Dann ist es eben so, denke ich mir.

Wir sind dran. Wir kommen in einem Sechsbett-Zimmer auf zwei Notmatratzen, die auf die Erde gelegt wurden, unter. Ein ungeahntes Glücksgefühl durchströmt mich. Ich bin so dankbar!

Erkenntnis des Tages: Dankbarkeit macht glücklich.

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Aus einer Trompete vor dem Fenster ertönt Weihnachtsmusik. So wacht es sich angenehm auf. Die Landschaft ist inzwischen in eine weiße Schneedecke gehüllt. Was für ein Anblick! (Ich kann nicht glauben, dass August ist!)

Wir lassen die sechs Jungs, in deren Zimmer wir unterkommen durften, aufbrechen, bevor wir uns langsam erheben. Im Frühstücksraum kehrt bereits angenehme Ruhe ein.

Dann ziehen auch wir wieder los.

Am See vorbei gehen wir nun auf einen verschneiten, steilen Aufstieg zu. Ungefährlich ist das nicht.

Man muss höllisch aufpassen, nicht wegzurutschen. Mir zittern ein wenig die Knie, während ein gewisser Adrenalinrausch, mir Energie non-stop beschert.

Das letzte Stück des Aufstiegs muss mit Kletterseilen, beinahe auf allen Vieren zurückgelegt werden. Es staut sich.

Da hänge ich nun so in der Wand, halte mich mit einer Hand am Seil fest und fotografiere mit der anderen die unwirkliche Situation.

Die Stimmung ist fantastisch. Es herrscht Nebel. Die Leute sind geduldig und verständnisvoll. Eine gewisse Geselligkeit in einer Art Parallelwelt macht sich breit. So stelle ich es mir im Himalaja vor.

Auf der anderen Seite geht der Abstieg los. Und was für einer! Zwei Stunden. Erst durch Schnee, dann durch Geröll. Einige Leute stürzen. So auch mein Vater, der sogar einen Karbonwanderstock entschärft.

Plötz macht die karge Landschaft Platz für ein grünes Tal, die Sonne bricht durch die Wolken und es scheint wie eine Oase inmitten hoher Berge.

Danach wartet allerdings gleich die Hölle. Verpackt in eine atemberaubende Natur.

Es geht immer weiter bergab. Die Knie schmerzen. Die Füße brennen. Die Zehen schreien auf. Der Abstieg will einfach nicht enden.

Nach sechs Stunden erreichen wir endlich Zams. Papa kauft sich neue Wanderstöcke, denn ohne ist man hier aufgeschmissen, und wir lassen uns mit einem Taxi vom Zentrum zu unserem Hotel bringen, das 20 Minuten vom Ort entfernt liegt, denn wir können einfach nicht mehr.

Erkenntnis des Tages: Man muss die Grenzen des eigenen Körpers respektieren (auch wenn man als Wanderer im Taxi doof aussieht).

 

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Eine vollgepackte Seilbahn bringt uns zum Startpunkt der heutigen Etappe. Es ist wieder Mistwetter.

Die Wanderschuhe bleiben im Matsch beinahe kleben und wir müssen wirklich aufpassen, nicht wegzurutschen.

Nach einer Weile geht es durch einen Wald auf einem breiten Weg bergab. Immer bergab. Ich hasse bergab!

Im nächsten Ort angekommen, nehmen wir wie geplant einen Bus, der uns in Mittelberg absetzt, von wo aus noch 3 Stunden Aufstieg zur Braunschweiger Hütte vor uns liegen.

Doch immer mit der Ruhe. Wir liegen gut in der Zeit, also kehren wir erst einmal ein. Schließlich scheint mein Vater hauptsächlich wegen des Kaiserschmarrns mit mir durch die Alpen zu wandern.

Wir einigen uns darauf, dass wir nicht die ganze Zeit zusammen gehen müssen, da unser Tempo doch sehr unterschiedlich ist.

Wenn mein Vater ständig auf mich warten muss, stresst mich das, da es kalt ist und regnet.

Andersherum möchte ich mich nicht überlasten und in Ruhe gemächlich dahin schreiten, was inzwischen möglich ist, da die Gruppen sich etwas aufgelöst zu haben scheinen.

Begeistert fotografiere ich die ganzen Wasserfälle. Genieße das raue Klima in dieser steinigen Landschaft.

Bis ich irgendwann wieder die Faxen dicke habe. Immer wieder frage ich mich: „Wann kommt endlich die verfickte Hütte?“ (Der häufigste Gedanke auf der ganzen Tour).

Der Nebel wird immer dichter. Sie könnte vor mir stehen und ich würde sie nicht sehen.

Doch leider dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis sie wirklich endlich vor mir steht.

Mir ist teilweise richtig übel von der Anstrengung.

Auf allen Vieren klettere ich am Ende Steinbrocken empor, die höher sind als meine Körperhälfte. Verdammte Scheiße. Wessen bescheuerte Idee war das eigentlich mit der Tour??! (Es war meine.)

Die Braunschweiger Hütte ist unglaublich. Beinahe ein Hotel. Liebevoll eingerichtet mit extrem schnellen Kellnerinnen im Trachtengewandt. Wir haben ein Doppelstockbett. Die Freude ist groß, denn das ist angenehmer, als zwischen Fremden eingepfercht im Bettenlager.

Als wir uns etwas zu essen bestellen, setzt sich eine Gruppe Jungs zu uns. Es sind die Jungs, in deren Zimmer wir vor zwei Tagen mitübernachten durften. Schnell kommen wir ins Gespräch.

Ich bin begeistert, denn der Unterhaltungswert dieser Truppe ist wirklich enorm! Gegen 22 Uhr werden wir nach ein paar Runden Bier und Enzian-Schnaps vom Hüttenpersonal in unsere Bettenlager geschickt.

Ich bin einfach nur glücklich.

Erkenntnis des Tages: Geselligkeit bringt Leichtigkeit und ist eine schöne Abwechslung zu meinen ewigen Grübeleien über das Leben.

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Wahnsinn! Kaum öffne ich die Augen, erblicke ich von meinem Bett aus durch das Fenster einen Ausblick für die Götter. Der Nebel ist weg.

Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel auf die schneebedeckten Berge.

Gut gelaunt stapfen wir durch den Schnee los.

Erst ein wenig bergauf, dann durch ein gefährliches Schneefeld bergab. Wir haben Angst. Von oben drohen Steine, die jederzeit den Hang herunterrollen können, und unter uns sehen wir den Boden nicht, weil eine fette Schnee- und Eisschicht ihn verdeckt und teilweise hohl darunter ist.

Wir sind heilfroh als dieses Stück hinter uns liegt.

Was jetzt kommt, gleicht einem Traum. Der Venter Panoramaweg. Dreieinhalb Stunden purer Wandergenuss!

Die Füße schmerzen dennoch und wir sind froh, als wir in Vent ankommen. Morgen ist ein Ruhetag geplant.

Erkenntnis des Tages: Gönne dir die nötige Erholung und Ruhe, damit du die Wanderung (= das Leben?) genießen kannst.

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Nach fünf Tagen des Zusammenseins war es gestern Abend soweit.

Mein Vater und ich haben uns gestritten. Es ging so weit, dass wir uns bei einem Abendspaziergang auf offener Straße fast anschrien.

Das hat uns beiden sehr zu schaffen gemacht, denn es ist so gar nicht unsere Art.

Als wir heute Morgen aufwachen, hat mein Papa ganz schöne Augenringe. Er hat kaum ein Auge zugemacht wegen unserem Krach.

Ich fühle mich komischerweise total friedlich. Keine Ahnung wie das möglich ist. Hat mein Gehirn im Schlaf alles schön verarbeitet und aufgeräumt? (Danke, Gehirn!).

Beim Frühstück stelle ich fest, dass mein Vater trotz schlafloser Nacht und ramponiertem Gesichtsausdruck ebenfalls eine angenehme Ruhe ausstrahlt.

Es wird ein wundervoller Tag in diesem beschaulichen Ort mitten in den Bergen.

Erkenntnis des Tages: Streiten ist wichtig. Gleich einem Gewitter sorgt ein Streit für klare Luft und befreit.

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Direkt hinter dem Ort geht es an einem Bach entlang in Richtung Martin-Busch-Hütte zwei Stunden lang gemächlich bergauf.

Im Vergleich zum Anfang sind kaum noch Leute auf dem Weg.

Wir stärken uns und nehmen die zweite Hälfte der Etappe in Angriff.

Entweder hat sich mein Körper an die Anstrengung gewöhnt und ich bin nach so kurzer Zeit super fit, oder es ist tatsächlich leichter als die ersten Anstiege.

Ich weiß nur eines: Ich bin nicht mehr aus der Puste, meine Beine tun kaum noch weh und ich GENIESSE den Weg auf ungeahnt intensive Weise.

Die Landschaft ist karg. Steine, Geröll und Schnee soweit das Auge reicht. Ich liebe diesen Anblick.

Nach einem letzten steilen Endspurt erreichen wir die Similaunhütte auf 3019 Metern. Der höchste Punkt unserer Wanderung. Hier schlafen wir heute.

Trotz der schönen Etappe fühle ich mich leicht bedrückt, ohne zu wissen warum.

Ein geselliger Abend und tiefgründige Gespräche mit zwei sympathischen Dresdnern hellen meine Stimmung wieder auf und ich schlafe trotz Kopfschmerzen (durch die Höhe?) problemlos ein.

Erkenntnis des Tages: Unser Körper ist der Wahnsinn. Er gewöhnt sich so schnell an Anstrengungen, die wir nicht für möglich gehalten hätten. Er verdient unsere Liebe, Dankbarkeit und Pflege.

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Das Ende unserer Reise rückt näher.

Einen Schritt von der Similaunhütte entfernt sind wir bereits in Italien.

Ein letzter Abstieg und die Alpen sind überquert. Ich habe jetzt schon Sehnsucht nach ihnen.

Der Abstieg will mal wieder nicht enden. Erst durch Geröll, in dem ich ständig Angst vor Steinschlag habe, dann durch Wiesen mit Kühen und Schafen.

Wir essen mit den Dresdnern ein leckeres Mittagessen am Vernagt Stausee, bevor wir uns weitermachen auf den Meraner Höhenweg.

Ab jetzt wird es leicht, denken wir. Falsch gedacht.

Ein ständiges Auf und Ab bei extrem schwüler Luft macht uns ganz schön fertig.

Nach weiteren drei Stunden kommen wir überrascht in unserer Unterkunft an. Das hatten wir beide nicht erwartet. Ein Hof aus dem 13. Jahrhundert!

Wir fühlen uns in vergangene Zeiten zurückversetzt und sind begeistert.

Erkenntnis des Tages: Ein ständiges Auf und Ab zehrt an den Kräften.

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Die heutige Etappe ist kurz und schmerzlos.

Nach nur zwei Stunden auf dem Meraner Höhenweg mit wundervollen Aussichten auf das fruchtbare Tal weit unter uns, kommen wir im Gasthof Giggelberg an.

Es trifft mich wie ein Schlag. Die Zivilisation.

Hier wimmelt es von Ich-such-das-nächste-Sonderangebot-Bierbauch-Pauschaltouristen, die mit der Seilbahn hier hochgefahren sind, um sich die Bäuche voll zu schlagen und Schnaps zu trinken.

Vielleicht nehme ich es etwas überspitzt wahr, doch ich bin absolut niedergeschlagen.

Mein Vater geht Siesta machen und ich spaziere um den Hof herum.

Später treffen wir uns zum Kaffee in der Stube des Gasthofs, wo ich mich überhaupt nicht wohl fühle.

Mein Vater hingegen strahlt die absolute Erleuchtung aus und schlürft seinen Kaffee mit einem seligen Lächeln. Wie macht er das nur? Verdammt.

Wir reden miteinander. Heute schaffe ich es noch nicht einmal, meine Niedergeschlagenheit einfach anzunehmen.

Wir gehen noch einmal ein Stück spazieren.

Meine Gedanken machen mich fertig. Sie stellen alles in Frage. „Siehst du. Nichts hast du gelernt auf dieser Reise. Bist genauso schlau wie vorher. Nervst die Leute mit deinen Erkenntnissen und deinem Gelaber. Lass es lieber. Es bringt eh nichts.“

Mein Vater geht zurück zum Hotel, ich bleibe noch ein wenig an der Seilbahnstation und beobachte die Gondel.

Plötzlich kriecht eine friedlichere Stimme in mir empor und sagt: „Naja, so schlimm ist es ja jetzt auch nicht. Vielleicht schießt du manchmal über das Ziel hinaus, wenn du deine Erkenntnisse mit anderen teilen möchtest, aber sinnlos sind sie nicht. Denk doch nicht Schwarz oder Weiß. Wie kannst du die Leute bereichern? Wie kannst du ihnen und dir selbst helfen, aus diesem deprimierenden Trott zu kommen?“

Da traf es mich wie ein Blitz. Na klar!

Da predige ich meine Weisheiten, schreibe einen Blog und tappe immer wieder selbst in die Falle, vor der ich meine Leser bewahren möchte.

Erkenntnis des Tages: Inspirieren statt Bekehren! (Sprich: Selber vormachen, statt rumzulabern.)

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Seit ich gestern die größte Erkenntnis der ganzen Wanderung hatte, kam mein Geist endlich wieder zur Ruhe.

Ich stellte fest, dass ich – ohne es zu merken – ganz langsam, den Alltagsstress losgelassen und mich komplett auf die Gegenwart eingelassen hatte. Bis wir nun zurück in die Zivilisation und die Probleme kamen, die wir irgendwo ab dem dritten Tag in den Bergen hinter uns gelassen hatten.

Eine feierliche und fröhliche Stimmung durchströmt uns.

Die letzte Etappe.

Der Weg ist einfach fantastisch. Es geht durch Apfelplantagen und Weinberge.

Die letzten Kilometer nach Meran herein sind wie immer einfach endlos und ätzend. Da hilft auch der Charme der Stadt nicht weiter.

Eine letzte Treppe führt uns herunter zur Domkirche. Wir haben es geschafft!

Wir sind da.

Komisches Gefühl.

Die Stadt ist von Wanderern überfüllt und pulsiert fröhlich vor sich hin. Wir lassen uns treiben und unsere Eindrücke von der ganzen Reise erst einmal bei einem Eiskaffee sacken.

Die erwarteten Glücksgefühle bei der Ankunft bleiben aus. Eine gewisse Erleichterung, etwas Stolz und vor allem viele Fragezeichen machen sich in mir breit.

Ich bin froh, dass wir es geschafft haben, und vermisse gleichzeitig jetzt schon den Weg und das Gefühl des Unterwegsseins.

So stelle ich mir das Sterben vor.

Irgendwie wollen wir immer weiter, den Weg hinter uns bringen, aber wenn wir sterben, wollen wir doch lieber wieder den anstrengenden Weg … Das ewige Dilemma der Menschheit.

Erkenntnis der Reise: Der Weg ist das Ziel.

Und?

Möchtest du jetzt nicht sofort deinen Rucksack packen und auch losziehen?

Wenn du eigene Erfahrungen oder Fragen zur Vorbereitung hast, hinterlasse mir gern einen Kommentar.

Sei es dir wert.

elisasignatur

 

8 Kommentare, sei der nächste!

  1. „und tappe immer wieder selbst in die Falle, vor der ich meine Leser bewahren möchte.“

    wow, da möchtest Du, liebe Elisa, die Menschen vor dem Leben bewahren :) welches sich durch individuelle Erkenntisse auszeichnet. Dies ist lobenswert, dass Du anderen Leid ersparen möchtest. (Dies wollte ich auch) Jedoch fühlst Du dich dieser Aufgabe wirklich gewachsen? Hast Du deine Einzigartigkeit schon erkannt? Eine Einzigartigkeit die dich Dinge ganz individuell erleben lässt, und die Erkenntnisse dazu Dir auch ganz individuell „zufliegen“.
    Denn Deine einzigartigen Erlebnisse/Erkenntnisse können max. ein Denkanstoss sein.

    Kennst Du die Ebenen des „Lernens“?
    erzähle mir: ich werde vergessen
    zeige mir: ich werde mich erinnern
    binde mich mit ein: ich werde verstehen

    wie Du erkennst, die tiefste Ebene kannst du den Menschen nicht vorenthalten, dies muss selbst erlebt werden. Daher gehe mit Dir nicht zu sehr ins „Gericht“, wenn Du Andere von „Fallen“ abhalten möchtest. Dies hat sogar der „Erschaffer“ den Individuen nicht abgenommen ;). Auch wird nicht bei Jedem solch eine Mammuttour über die Alpen zu solch tiefen Einblicken, wie sie bei Dir geschehen durften.
    Ein vom Herz ausgehendes Glücksgefühl kann nur erlebt werden, und lässt sich mit den schönsten Worten nicht beschreiben. Wenn z.Bsp „Glücksseminare“ abgehalten werden, welche die Botschaft transportieren „Du musst nur fest daran glauben und deine Gedanken erschaffen Realität“ werden die Suchenden viele „Schranken“ in Ihr Denken implementieren, weil es der Guru/Meister/Seminarleiter so gesagt hat und bei ihm so funktioniert.. was wenn es dann nicht eintritt und man seine Individualität gar nicht erlangen/geniessen kann? In der Regel füllt es das Auftragsbuch der Seminarveranstalter, weil noch hier und da dann in einer weiteren Einzelsitzung oder Folgeseminar eine „Feinjustierung“ geleistet werden muss ;) welche auch schon mal Jahre in Anspruch nehmen kann und auch stattlichen „Energieaustausch“ mittels sauer verdienten Geldscheinen generiert.

    Darf ich Dir auch eine Frage stellen? Wenn ja lautet sie:
    Wie vereinbarst du die Aufmerksamkeit, welche du mit diesem Blog erreichen möchtest (Blockmomentum Teil1), mit den tiefgründigen Anregungen Anderen auf ihren Weg zu begleiten/anzuspornen? Mittel zum Zweck?

    PS: auch darfst Du gern per Mail darauf antworten, weil es doch sehr ins Eingemachte geht. Der Text muss nicht auf deinem Blog erscheinen. Bin ich jetzt etwa Derjenige der dich vor „Fallen“ bewahren mag? :D au weija wenn man es recht bedenkt.. :D

  2. Lieber Jens,

    du ahnst gar nicht, wie dankbar ich dir für deinen Kommentar bin!

    Du hast absolut Recht. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden und austesten. Ich möchte die Menschen lediglich irgendwie anstupsen und aufrütteln, gern auch mal wachschreien, damit sie sich überhaupt erst einmal auf den Weg machen.

    Die Aufmerksamkeit, die ich mit dem Blog erreichten möchte, ist einerseits Mittel zum Zweck, da ich am liebsten wirklich eine neue Gesellschaft möchte, sprich ziemlih viele Leute wachrütteln müsste. Das heißt jetzt aber nicht, dass MEIN Glück davon abhängt, wie viele Menschen ich damit erreiche.

    Ich habe eine Vision, aber wenn es wo anders lang geht, weil das Leben es halt so will, dann kann sich die Vision auch ändern. :)

    Ich hadere an manchen Tagen mit mir selbst, weil ich mir doch ein größeres Publikum wünsche und empfinde gleichzeitig enormes Glück, wenn ich merke, dass ich jetzt eine Hand voll Leser habe, mit denen ein sehr bereichernder Austausch stattfindet, der mir Lebendigkeit und Wärme im Herzen beschert.

    Jetzt ist die Frage: Schließt das Eine das Andere aus?

    Danke auf jeden Fall für deine Denkanstöße, die jederzeit sehr willkommen sind!
    Elisa

  3. Hoi Elisa :)

    Die Frage: Schließt das Eine das Andere aus?
    kann ich nur für MICH beantworten. Für mich ist es ein eindeutiges Ja, da die „Rubrik“ zu den intimsten Dingen gehört die noch nicht einmal mit einer Taschenlampe beleuchtet werden können und erst noch geborgen werden müssen.

    Das schliesst dies für Dich jedoch nicht aus, da wir beide einzigartige Versionen der selben genialen Schöpfung sind :)

    Ich habe da wohl auch einen sehr hohen Anspruch was die „Qualität“ anbelangt, da ich niemanden an etwas teilhaben möchte, was bei mir selbst noch nicht auf den Weg gebracht wurde und er so unvorhersehbar ist ohne am Ziel angelangt zu sein. Stichwort: lange Durststrecken der Erkenntnis.

    Wenn ich dereinst am Ziel angelangt und der festen Überzeugung bin, dass es geteilt werden sollte, dann werde ich dies tun.

    Diese Gedankengänge werden evtl. verständlicher, wenn ich Dir sage wie meine Top“Regel“(aus dem Erkenntnisfundus) lautet: Ich bin nicht für das Schicksal der Anderen verantwortlich und kenne es auch nicht!
    Hier und da helfen, Anstösse geben: ja, jedoch mir einen Kopf machen, wie ich Andere zu ihrem Glück verhelfen kann, wenn noch nicht einmal danach ein Verlangen exisitiert: nein.
    Sollte ich dereinst das OK der Seele im Gegenüber deutlich erkennen können, werde ich zur Not auch wie eine Klette am Hintern kleben um selbigen am Gegenüber zu bewegen :D

    Etwas was ich von meinem Besuch beim Schamane mitnehmen durfte und genial treffend finde ist: „Ich brauche keiner alten Frau über die Strasse helfen, wenn sie es gar nicht will.“
    Hat was, oder? Ich finds genial ;) da ich damals das übelste Helfersyndrom hatte und gar nicht realisierte, dass ich dabei zu kurz kam bei all meinen Hilfsangeboten und immer Ja_und_Amen-sagen egal wie schlecht es mir dabei ging. Tja so sendet mancher wohl unverstandene Hilfeschreie nach aussen und sei es nur Aufmerksamkeit durch aufopferndes „helfen-und-nicht-nein-sagen-können“. PS: solche Menschen werden gern genutzt, um nicht ausgenutzt sagen zu müssen..

    Wohl verstanden: ich würde auch sehr gern mit den Fingern schnippen und bei allen um mich herum öffnet sich das Herzzentrum und alle erkennen, das sie nicht dieses winzige mit Du-sollst-dies-und-jenes-darfst-jedoch-dies-und-das-nicht Konditionierung verängstigte und gefügig gemachte Wesen sind. JEDOCH ist mir dies vergönnt und evtl. sogar so gewollt damit ein jeder selbst aus dem „Knick“ kommt/kommen muss.
    Dazu passt dann auch der genialste(für mich) Ausspruch von Gandhi: „Die äussere Freiheit wird uns erst dann gewährt werden, wenn wir die Innere erreicht haben.“ Tja und da bin ich dran.

    Wie siehst du dies: Muss ich jemand Anderem seinen Weg gewähren, auch wenn ich weiss er wird Schwierigkeiten haben wenn er ihn so weiter beschreitet? Ist es verantwortungslos wenn ich nicht Mehr auf in einrede? Oder muss ich akzeptieren, so schwer es auch fällt, dass er sein eigenes Schiksal beschreiten und erleben muss?

    Dir eine schöne Woche wünschend,
    der Jens :)
    PS: Ich finde es übrigens richtig gut das Du deinen Blog nach den Paarkosenamen benannt hast, welche wohl Partnerseelen zu sein scheinen! Floh`s und Bär`s für alle :D was würden wir für einen friedliche Welt hier unten haben..

  4. Jens,

    dich schickt der Himmel.

    Genau diese Klarheit möchte ich noch verinnerlichen. Ich bin nicht für das Schicksal der anderen verantwortlich. Das heißt, ich stelle meine Denkanstöße über diesen Blog in den Raum. Wer es nutzt, super! Wer nicht, auch ok. Jeder entscheidet das für sich. Das ist tatsächlich sehr schwer. Vor allem, wenn es auch die Leute im engeren Umfeld betrifft, die manchmal salopp gesagt „die Schnauze voll“ haben von mir und meinen „Bekehrungsversuchen“. Da erreiche ich dann eher das Gegenteil von dem, was ich mir wünsche: Ich schrecke die Leute ab.

    Ich versuche mich nun darin zu üben, mich auf mich und meine Erkenntnissuche zu konzentrieren und Verständnis für die Menschen zu entwickeln, die rumjammern und nichts ändern möchten.

    Ich will mir das Gejammer dann aber auch nicht mehr anhören. … klingt ja nicht gerade nach Verständnis, hahaha. Ein bisschen Humor hilft immer.
    Der Weg der Erkenntnis kann auch Spaß machen, wenn man sich selbst nicht in seinen Gedanken verliert, sondern auf die Gefühlswelt und unmittelbare Realität (das Umfeld, Luft, Sonne, Malen, die geliebten Menschen mit all ihren Schwächen und Stärken etc.) konzentriert.

    Heute ist es mir zum Beispiel wieder egal, was mit diesem Blog wird. Ich möchte einfach Schreiben und wenigstens ein paar Leser für Feedback haben. Das reicht mir. (heute)

    Danke für den bereichernden Austausch!
    Du bist ja auch schon fast wie ein „Coach“ oder „spiritueller Führer“ für mich.

  5. :D ach du Heimatland.. ich und sp. Führer :D
    ich gebe nur gern meinen Senf dazu :) stand zwar mal in irgend so einem von einer Person über mich erstelltem „Schickalsrad“ drinne, aber ich fühle mich dazu weder berufen noch WOHL dabei, weil ich an mein Ziel noch nicht angekommen bin.

    Ich bin wie Du, liebe Elisa, genau so auf dem Weg.. evtl. sind wir ja Wandersleute die sich getroffen haben und ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern :)

    Jedoch merke ich auch Freude in meinem Herzl wenn ich Dir mit meinem Senf evtl. den einen oder anderen Punkt etwas genauer beleuchten helfen kann.

    Wie gesagt in Deinem Leben sollte nur einer die volle Aufmerksamkeit bekommen! Und dies bist Du :) (welche Überraschung,ha)
    Wenn du Liebe in dir hast kannst du sie auch weitergeben, jedoch sollte in dir dann eine Quelle sprudeln die sich selbst nährt. Bis dahin bist DU das Wichtigste. Denn wenn du Liebe geben möchtest ohne sie selbst zu besitzen wird dies nur aufgesetzter Natur sein und VIEL Energie kosten… by the way, heutzutage „scheint“ dies ausreichend zu sein.

    Das Wort Liebe ist übrigens ersetzbar..u.a durch Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit etc. fällt Dir noch was ein?

    Wenn du mit wachen Augen durch die Welt gehst wirst du dies sicherlich schon entdeckt haben, ich selbst war richtig gehend erschrocken, wie häufig dies tagtäglich um uns herum passiert (Das Aufgesetzte/Gespielte)

    UND NEIN, du bist nicht für den faulen A… des Gegenüber verantwortlich UND JA dir darf das Gejammer der Uneinsichtigen sowas von auf den Senkel gehen und damit Dir fern bleiben!!! :)

    LG

  6. Liebe Elisa, ich musste mehrmals schmunzeln beim Lesen, kann ich doch deine Gedanken und Wünsche/Visionen so gut nachvollziehen. Danke für DICH. Ich lese Dich gerne.. Herzensgrüße in die Sonne!

  7. Liebe Johanna,

    ich bin gerührt und schmunzle nun ebenfalls vor mich hin.
    Ich freue mich sehr über deinen Kommentar.

    Liebe Grüße von der Insel
    Elisa

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